Familienfreundlich und abgesichert: Externe Erzieher:innen-Ausbildung ermöglicht Quereinstieg
45 Auszubildende nutzen derzeit das Qualifizierungsprogramm für angehende Erzieher:innen der Freien Träger OGS Bonn
Der Weg zur Ausbildung als Erzieherin muss nicht immer ein gerader sein, sondern kann auch Umwege gehen. Diese Erfahrung hat die 40-jährige Maja Engelmann aus Bonn-Beuel gemacht. Ihr beruflicher Weg führte nicht nur über das Studium der Kunstgeschichte und den Quereinstieg als Lehrerin für Deutsch und Geschichte, sondern über ein temporäreres Leben in Thailand zurück nach Bonn in die OGS Adelheidsschule. Seit 2015 ist sie bei der KJA Bonn in Offenen Ganztagsschulen tätig und seit einigen Monaten im trägerinternen Qualifizierungsprogramm in der Ausbildung zur Erzieherin. Dabei konnte die zweifache Mutter eines Kindergarten- und eines Schulkindes in ihrer bisherigen Tätigkeit mit 25 Wochenstunden weiterarbeiten. Denn das Ausbildungsprogramm macht es möglich, berufsbegleitend, bei gleichbleibender Bezahlung und finanziert von der Agentur für Arbeit und dem Träger, den Abschluss als staatlich anerkannte und geprüfte Erzieherin zu erreichen.
„Angesichts des Fachkräftemangels und dem Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz ab 2026 haben wir als Arbeitsgemeinschaft Freie Träger Offene Ganztagsschule Bonn beschlossen, nicht zu stöhnen, sondern Lösungsmöglichkeiten zu finden. Und das konnten wir am besten in unseren Einrichtungen, mit unseren bestehenden Mitarbeitenden. Die Externe Erzieher:innen-Ausbildung ermöglicht es uns, familienfreundlich und finanziell abgesichert unsere Kolleg:innen in der Ausbildung zu begleiten und im Anschluss als Fachkräfte einzusetzen.“, berichtet Jutta Siebertz, Fachbereichsleitung für Jugendhilfe und Schule in der KJA Bonn, über die positive Entwicklung der Ausbildungsoffensive. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Aktuell befinden sich 45 Personen aus sieben der 16 Freien Träger der Arbeitsgemeinschaft im Ausbildungsprogramm, aufgeteilt auf drei Kurse aus Januar und Mai 2023. Zu Beginn des nächsten Jahres startet ein weiterer Kurs mit 17 Teilnehmer:innen.
Auch Robert Rotarius hat sich für diesen Ausbildungsweg entschieden. Bei Betreute Schulen e.V., einem korporativen Mitglied der AWO Bonn/Rhein-Sieg e.V., ist er seit 2017 im OGS-Bereich tätig. Der 56-jährige zweifache Familienvater ist gelernter Hotelfachmann, war im Lebensmittelhandel tätig und beschloss nach einem ehrenamtlichen Engagement im Zuge der Firmung seiner Kinder, sich beruflich neu zu orientieren: „Natürlich fällt man so eine Entscheidung nicht von heute auf morgen. Es bedarf eines Abwägens, ob man sich diesen Weg als Familie finanziell erlauben kann. Aber in meinem Beruf war ich nicht mehr glücklich und habe mir mehr Zeit für uns gewünscht. Im Mai dieses Jahres fiel die endgültige Entscheidung: Ich beginne die Ausbildung zum Erzieher. Auch wenn ich erst mit 59 Jahren fertig werde, bin ich zufrieden. Meine Arbeit macht mir jeden Tag Spaß und ist erfüllend. Dieser Weg bedeutet aber gleichzeitig, dass meine Frau vollberufstätig ist.“ Ob es ihm in seinem Alter nicht zu anstrengend und zu laut sei, wird er manchmal gefragt. Seine Antwort: „Ich höre keinen Lärm, nur spielende Kinder!“.
Möglich und umsetzbar macht dieses Ausbildungsmodell die Zusammenarbeit der Freien Träger mit dem anerkannten Bildungsträger cultur|A – Akademie für Bildung und Potenzialentwicklung aus Bonn und der Bundesagentur für Arbeit. Das sogenannte „Arbeit-von-Morgen-Gesetz“ verstärkt Möglichkeiten von Weiterbildung und Qualifikationen in besonderen Situationen. Somit kann eine 100%-Förderung für die teilnehmenden Auszubildenden erfolgen, sofern sie die entsprechenden Voraussetzungen mitbringen. Zu diesen zählen ein Alter über 25 Jahren, keine vorherige Ausbildung absolviert zu haben oder seit mindestens vier Jahren nicht mehr in diesem Ausbildungsbereich tätig zu sein, die praktische Erfahrung im pädagogischen Bereich und die familiäre Situation. Sollte keine vollumfängliche Finanzierung zustande kommen, übernehmen die Träger als Arbeitgeber die Differenzsumme. Aber nicht nur die Bedingungen der Agentur für Arbeit zählen als Bewerbungsqualifikation. „Wir führen vor Ausbildungsbeginn eine Kompetenzfeststellung durch.“, so Eva Westerholt von cultur|A. „Somit können wir und auch die Bewerber:innen vorab herausfinden, ob die Ausbildung und das selbstständige Erarbeiten von Themen das Richtige sind.“ Nicht jede:r sei geeignet, manche seien jedoch so zielstrebig, dass sie sich nach einem Jahr erneut positionieren, beispielsweise nach dem Absolvieren eines Deutsch-Kurses, sofern es vorher eine Sprachbarriere gab. Wöchentliche Unterrichttage mit jeweils acht Einheiten verbringen die Auszubildenden in den Schulungsräumen des Bildungsträgers. Die weiteren Inhalte müssen selbst erarbeitet und erlernt werden, um am Ende der Ausbildung die Prüfung an einer Fachhochschule ablegen zu können. Die bisherige Bilanz: Eine 100%-Quote bei den erfolgreichen Abschlüssen der Teilnehmer:innen.